Montagsblues, Regenwetter und irre viel im Büro zu tun?
Dazu kommt meine arrogante und leicht überhebliche Kollegin, die immer so scheint, als wäre sie Miss Perfect und hätte alles optimal im Griff. Wenn sie schon mit ihren immer topaktuellen Slingpumps an mir vorbeiwackelt, könnte ich ihr ihren dürren Hals umdrehen..
Der Blick auf meinen Kleiderschrank hebt auch nicht wirklich meine Laune. Wieder nix zum Anziehen. Mir fällt das heutige Meeting mit der Geschäftsleitung ein, hektisch durchwühle ich die noch verknuddelten Wäscheberge nach einem einigermaßen kompetenten und seriösen Outfit durch.
Ich kapituliere und schmeiße mich in meinen etwas am Bauch zwickenden Hosenanzug und die weiße Bluse, die eher an Hildegard Kneefs faltigen Hals erinnert, als an ein angemessenes Business-Oberteil…
Die Quittung für meine Modemuffeligkeit folgt auf den Fuß. Lena Jeschke rauscht wohlduftend und mit einem zwar etwas wagemutigen aber dennoch beneidenswert gutsitzenden zitronengelben Pliséerock fünf Minuten zu spät ins Meeting und wird auch noch freudig und mit bewundernden Blicken begrüßt.
Beklommen schaue ich an mir runter und fühle mich irgendwie, wie in: der Teufel trägt Prada. Allerdings nicht in der Rolle von Miranda Priestly, sondern eher in der, als graue Maus Andy Sachs.
Zum gefühlt 1000 Mal nehme ich mir vor, mich endlich grundlegend um meine Garderobe zu kümmern. Schon beim Gedanken rutsche ich noch ein wenig tiefer in meinen Bürostuhl. Wenn ich alleine daran denke, wie grässlich unwürdig die Beleuchtung in den Umkleidekabinen von Zara und Konsorten ist. Gnadenloser Blick auf die Cellulite, außerdem völlig unpassende Größen für den Ottonormalverbraucher.
Wer sonst eine klassische 40 trägt, kommt sich da wie ein Trampelmops in Größe 48 vor.
Wer außerdem bitteschön kann das tragen, was dort hängt? Da muss man ja Blogger sein oder zumindest sich jede Frauenzeitschrift reingezogen haben, damit man da den Überblick behält, was geht und was nicht. Und dann bin ich mir noch nicht mal sicher was mir steht…
Ich vertrage am Besten mein modisches Upgrade auf einen anderen bessergelaunten Tag mit wohlgefülltem Geldbeutel und kümmere mich mal um weniger Oberflächlicheres, wie Klamotten. Der eigene Stil wird doch gänzlich überbewertet. Gut dass es Jeans, Bluse und Blazer gibt.
Kommt dir dieses Fashion-Szenario bekannt vor?
Bist du auch hin und hergerissen, zwischen: „Ich würde ja schon gerne wissen, was mir steht, wie ich aussähe, wenn ich es drauf hätte“ und „ach nee, zu arbeitsaufwändig, zu teuer, zu dick, zu alt, zu hässlich, zu oberflächlich;“ und so weiter und sofort…
Ich unterstelle mal ganz provokant, dass bei den meisten Frauen, die sich bis dato nur kaum oder gar nicht mit Mode oder dem eigenen Stil beschäftigt haben, ein oder mehrere dicke, uralte Vorurteile zum Thema Mode im Unterbewusstsein schlummern. Kein Wunder, dass die dann auch die eigene Realität und vor allem das eigene Äußere beeinflussen.
Wieso sonst, sehe ich nur so selten, all die tollen Sachen, die momentan in den Läden hängen, in meinem Umfeld?
Warum dominiert seit gefühlten Jahrzenten bei den meisten Frauen der angepasste Einheitslook? Selbst bei der letzten Shop- Soirée zu Ehren einer namhaften Designerin, bei der ich mit meiner illustren Freundin Moni eingeladen war, kamen die Damen im klassischen Business-Look oder gänzlich unpassend in billigen Cocktailkleidern. Wo bitte kann ich die ganzen herrlichen Romantikkleider, die Boxy-Blazer, Paper-Bags und Duster bewundern, die momentan in den Stores auf uns warten? Was ist mit den süßen und günstigen Accessoires für chronisch blanke Portemonnaies? Selbst die fristen ein trauriges Dasein in weiblichen Schubladen.
Klischees, dass modebewusste Menschen eher oberflächlich veranlagt sind und man unbedingt eine Spargelgröße 36 braucht, um in aktueller Mode gut auszusehen, sind sicher die am meist verbreiteten und gehätschelten Vorurteile. Sie tragen dazu bei, dass wir Mädels lieber auf Nummer Sicher gehen und immer wieder auf Altbewährtes, wie Jeans, Bluse und Blazer zurückgreifen.
Kein Wunder, dass solche Überzeugungen uns verunsichern, wer will schon als gehaltlos oder äußerlich und flatterhaft abgestempelt werden? Wer setzt sich bitte schamlos in Szene, wenn er seiner Meinung nach einen zu dicken Hintern hat und riskiert einen Fashion-Faux-Pax?
Dazu kommt auch noch, dass die Modebranche scheinbar immer schnelllebiger wird und Trends schon wieder gestorben sind, bevor wir sie überhaupt erst mitbekommen haben. Wer außerdem nachhaltig denkt, ist sowieso raus, da der Wunsch nach Qualität und Langlebigkeit ja fast schon verbietet, modische Experimente zu wagen.
Sehr schade finde ich; denn die von vielen als oberflächlich angesehene Frage nach der eigenen modischen Identität wirft doch auch gleichzeitig und grundsätzlich die Frage nach dem eigenen Ich auf!
Was macht mich zu mir?
Wer bin ich und welche Eigenschaften habe ich? Wie möchte ich im Außen wahrgenommen werden? Wie möchte ich mich selbst sehen und ausdrücken.Was mag ich an mir?
Das sind Fragen, die eine durchaus tiefgründigere Auseinandersetzung mit der eigenen Persönlichkeit voraussetzen.
Wer sich damit beschäftigt, wird wie meine modemuffelige Kundin Kirsten letzte Woche feststellen, dass die Entdeckung des eigenen Stils geradezu lebensverändernd sein kann!
Unvergesslich für mich der Moment, in dem sie ungläubig in einem Haufen von aktuellen und durchaus bezahlbaren Klamotten in einer Münchener Umkleidekabine steht und ihren eigenen Augen nicht trauen kann!
Bin das wirklich ich? Vor lauter Schreck werden ihre Beine ganz wackelig und sie muss schwer atmen. „Das kann doch gar nicht sein! Das hätte ich mir alleine nie ausgesucht! Ich glaube so habe ich mich noch nie gesehen und dass das so einfach geht, hätte ich nie gedacht.“
Die Lobes-Elogen, die sie mir ein paar Tage später auf WhatsApp macht, verraten, dass ihr neu gefundener Stil ihr dabei geholfen hat, sich selbst näher zu kommen.
Mehr Kirsten eben, mit all dem, was sie als Mensch ausmacht.
Ein Quäntchen Kreativität, eine Portion Optimismus, eine Brise Leichtigkeit, was Klassiches aber auch jugendlich Romantisches ist auf den coolen Stylingbildern, die sie mitgeschickt hat, auf den ersten Blick zu erkennen.
Ich vergleiche es gerne mit der guten altbewährten Hausmannsküche. Sicherlich macht man nix mit Gulasch und Spätzle verkehrt, aber wer einmal das Gericht in eine orientalische Tagine verwandelt hat, bekommt zum saftigen Rindfleisch noch eine fernöstliche Geschmacksexplosion am Gaumen dazu. Warum nicht mal seinen Horizont erweitern? Warum nicht ganz neue Aspekte der eigenen Identität kennenlernen und vor allem zeigen?
Wer sich dafür entscheidet, die eigene Persönlichkeit auch im Außen wiederspiegeln zu lassen, lernt sich noch mal ganz neu kennen.
Den eigenen Stil zu entdecken, heißt nämlich auch, ein Stück weit Frieden mit den eigenen Unzulänglichkeiten zu schließen und den Fokus ganz bewusst auf die Schokoladenseiten und die persönlichen Eigenschaften, die man an sich mag zu richten.
Wie Iris Apfel, 90jährige Stilikone aus Amerika so schön sagt:
„Du musst nur wissen wer du bist, um deinen Stil zu finden. Man kann ihn nicht kaufen oder erlernen. Man muss ihn erst fühlen und dann leben. „